Animal Hoarding – wann ist es noch Tierschutz und wann beginnt das Hoarding?

Veröffentlicht am : 28. Juli 2023
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Eigentlich war geplant, dieses Thema zu einem späteren Zeitpunkt einmal zur Veröffentlichung aufzunehmen. Die aktuellen Ereignisse rund um den deutschen Tierschutzverein Cats Karma e.V., der auf Mallorca ein Tierheim ohne die nötige Lizenz (nucleo zoologico) betreibt und der jetzt gerade versucht, den Verdacht des Animal Hoardings von sich zu weisen, veranlassen uns aber, bereits heute darüber zu berichten.

Der Deutsche Tierschutzbund hat zum Thema „Animal Hoarding“ die als PDF im Internet erhältliche Broschüre „Wenn Tierliebe außer Kontrolle gerät“ herausgegeben, die uns als Grundlage für diesen Artikel diente.

Animal Hoarding kann man am ehesten als „Tiersammelsucht“ bezeichnen, wobei noch einige weitere Faktoren hinzu kommen müssen, wie z.B. zu wenig Futter, zu wenig Wasser, Vernachlässigung der Hygiene, Verminderung der tierärztlichen Betreuung usw. In ersten Augenblick denkt man gleich an das Leid der betroffenen Tiere. Das ist aber zu kurz gedacht. Vielfach steckt hinter diesem Phänomen eine mehr oder minder ausgeprägte psychische Erkrankung des bzw. der Personen, die die Tiere halten bzw. betreuen. Die betroffenen Personen nehmen immer mehr Tiere auf und erkennen dabei aber gar nicht, daß es den bereits bei ihnen lebenden Tieren ganz allmählich immer schlechter geht. Der Prozeß ist schleichend und geht oftmals sehr langsam vonstatten. Nach und nach erkranken erst einzelne, dann immer mehr Tiere, werden verhaltensauffällig und können schlimmstenfalls auch sterben.

In der Vergangenheit wurde Animal Hoarding nicht oder allenfalls oberflächlich erforscht. Animal Hoarding ist kein regionales oder kulturelles Problem. Es kommt in allen Ländern auf unserer Erde vor. Die meisten, der leider recht wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Phänomen stammen aus den USA. Aber auch in Deutschland gibt es einige Veröffentlichungen. Der Deutsche Tierschutzbund hat seit 2012 Fälle von Animal Hoarding gesammelt und stellt fest, daß die Zahl von Jahr zu Jahr im Steigen begriffen ist. Hauptsächlich waren Haustiere betroffen. Aber auch landwirtschaftliche Nutztiere und in Gefangenschaft lebende Wildtiere zählten dazu. Jeder 2. Fall des Animal Hoardings betraf allerdings die Katzen. Möglicherweise liegt das daran, daß man Katzen durchaus in reiner Wohnungshaltung bei sich haben kann, was das Sammeln merklich erheblich erleichtert und der Nachbarschaft erst recht spät auffällt.

Wer ist nun ein echter Tierhorter? Allein das Halten von ungewöhnlich vielen Tieren allein zeichnet keinen Tierhorter aus. Neben den weiter oben bereits genannten Kriterien spricht auch für das Horten, wenn nicht genügend Lebensraum für die Tiere vorhanden ist. Die die Tiere hortende Person / Personen leugnen meistens, daß diese Situation sowohl für die Tiere als auch für sie selbst ein erhebliches, akutes Problem darstellt. Den meisten von ihnen fehlt also die Einsichtsfähigkeit in die prekäre Lage und sie sind nicht bereit, Lösungsvorschläge anzunehmen. Hinzu kommt bei vielen ein weiteres Problem. Sie können einfach nicht aufhören, zu sammeln. Die Wissenschaftler, die sich mit Animal Hoarding befaßte haben und befassen, unterschieden derzeit 5 Typen von Hortern.

1) Der Anfängertyp. Dieser versucht noch, den minimalen Haltungsbedingungen für die Tiere gerecht zu werden. Diesen Menschen ist die Problematik des Hortens im gewissen Maße noch bewußt und sie versuchen, ein Abgleiten ins Maßlose zu vermeiden, doch in den meisten Fällen gelingt das über längere Dauer dann doch nicht. Diese Menschen sind aber meistens noch für Hilfe ansprechbar und nehmen sie meistens auch an.

2) Der Pfleger-Typ. Dieser versucht, sich um seine Tiere zu kümmern. Er steht jedoch vor der für ihn kaum lösbaren Aufgabe, ökonomische, soziale, medizinische oder häusliche Veränderungen effektiv zu bewältigen. Ihm wäscht buchstäblich alles über den Kopf. Diese Menschen spielen die Probleme gern herunter, leugnen sie in der Regel aber nicht gänzlich. Die Tiere haben für diese Menschen einen hohen Stellenwert, geraten aber immer mehr in den Strudel sich verstärkender Vernachlässigung. Die Therapiemöglichkeiten für diese Personen sind durchaus als noch gut zu bezeichnen.

3) Der Züchter-Typ. Hier handelt es sich um Menschen, die Tiere züchten, um sie später einmal zu verkaufen. Bei diesen Menschen besteht aber die Gefahr, daß die Anzahl der gezüchteten Tiere kontinuierlich ansteigt und dies dem Züchter allmählich über den Kopf wächst. Irgendwann läuft das alles dann aus dem Ruder. Die Tiere werden oft in Gehegen oder Zwingern gehalten und der Mensch hat nicht mehr den engen Bezug zu ihnen, wie bei den vorherigen Typ-Gruppen. Die eigenen Lebensverhältnisse der Menschen sind meist noch normal. Dennoch züchten sie immer weiter und erkennen nicht, daß sie die Kapazität für die Haltung und Pflege der Tier nicht mehr unter Kontrolle haben.

4) Der Retter-Typ. Dieser Typ hat das Ziel, alle Tiere zu retten und nimmt daher unkontrolliert viele Tiere auf. Diese Menschen lehnen es kategorisch ab, auch nur ein einziges Tier einschläfern zu lassen, selbst wenn es unheilbar krank ist. Sie sammeln aktiv und ganz gezielt Tiere ein und vertreten dabei die Meinung, daß sie die einzigen Menschen sind, bei denen ihre Schützlinge ein gutes Leben haben. Infolge ihres zwanghaften Sammelns ist es ihnen auf Dauer nicht mehr möglich, diese Tiere angemessen zu versorgen und zu pflegen. Ungeachtet dessen, ist es ihnen nicht möglich, auch nur ein einziges Lebewesen abzuweisen. Daß und wie stark die Schützlingen in ihrer Obhut leiden, nehmen die Menschen dieses Typs nicht mehr wahr. Hinweise von Außenstehenden werden entweder ignoriert oder als unberechtigte Einmischung abgewiesen. Selbst behördlichen Anordnung wird nicht Folge geleistet. Meist sind sie nicht sozial isoliert. Im Gegenteil, sie bauen sich um sich herum eine Gruppe Gleichgesinnter auf, die für sie alles tun, um das Handeln der Menschen des Retter-Typs zu fördern und Andersdenkende in ihre Schranken zu weisen.

5) El tipo explotador. Como sugiere el nombre del tipo, se trata de las personas más problemáticas. Este grupo suele incluir sociópatas o personas con trastornos de la personalidad de graves a masivos. Las personas de este grupo adquieren animales por motivos puramente egoístas. Suelen carecer de empatía hacia los animales, lo que les lleva a ser o volverse indiferentes ante el sufrimiento animal que causan. A muchos de ellos también se les da bien llamar la atención de las autoridades: suelen mostrarse carismáticos, competentes y elocuentes en público, y dan la impresión de ser personalidades atractivas.

Die vorgenannten Gruppeneinteilungen und Typbeschreibungen sind in der Praxis nicht starr. Es kommen Menschen vor, die durchaus Eigenschaften zeigen, die in 2 oder gar 3 Gruppen hineinreichen.

Von verschiedenen Fachleuten wird hierzu erklärt, daß die Tierhorter überwiegend an physischen und / oder psychischen Störungen leiden, die ihre auslösende Ursache nicht selten in der Familiengeschichte der Person haben. Darüber hinaus sind bei den Tierhortern oftmals Depressionen, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen zu beobachten. Im weltweit anerkannten Klassifikationssystem für Diagnosen, dem International Statistical Classification of Diseases (ICD), war Animal Hoarding bisher nicht als eigenes Krankheitsbild anerkannt worden, obgleich es als Ausfluß einer tiefgreifenden psychischen Störung bei dem Betroffenen von Wissenschaftlern gesehen wird. In der Klassifikation psychischer Störungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), die von der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft herausgegeben wird, wird Animal Hoarding allerdings schon seit 2013 als eine Unterform des sogenannten Messie-Syndroms eingestuft.

Da Animal Hoarding bisher nicht als eigenständige psychiatrische Erkrankung anerkannt ist, fehlt es leider, von Einzelveröffentlichungen einmal abgesehen, an veröffentlichten Studienergebnissen. Es fehlt leider auch an Anlaufstellen für Betroffene und deren Angehörigen. Allenfalls die sozialpsychiatrischen Dienst der Städte und Landkreise können um Hilfe ersucht werden. Um diesen Schritt aber gehen zu können, muß der Betroffene willens und bereit sein, sich einer Beratung anzuvertrauen, was oftmals auf erheblichen Widerstand des Betroffenen stößt. Eine Beschlagnahme der Tiere durch die Behörden oder die Erteilung eines Tierhalteverbots, ohne daß eine psychologische Begleitung erfolgt, hilft fast nie wirklich. Die gegenwärtige Rechtslage macht es den Betroffenen leider zu einfach, die Maßnahmen zu umgehen, indem sie z.B. in einen anderen Landkreis umziehen, wo alles von vorne beginnt.

Animal Hoarding Fälle werden oftmals von Nachbarn oder Tierschützern den Behörden gemeldet, weniger von Angehörigen der eigenen Familie. Da aber der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Verfolgung derartige Fälle den Behörden sehr viel abverlangt, sind diese in der Verfolgung oftmals sehr zögerlich bis hin zu untätig. Werden sie dann doch einmal aktiv, wird zunächst ein Gespräch mit dem Betroffenen geführt. Ändert sich in der Folgezeit nicht, können die Behörden Auflagen erteilen, wie Reduzierung des Bestandes, Verbot der Neuaufnahme, Kastrationsanordnung usw.

Nicht selten verweigern die Betroffenen den Behörden den Zutritt zu ihren Wohnungen oder Grundstücken. In solch einem Fall kann die Behörde die Vorführung der Tiere verlangen. Hat auch dies keinen Erfolg, kann die Behörde von einer Tierwohlgefährdung ausgehen. Dann besteht die Möglichkeit, per Gericht einen Betretungsbeschluß für die Wohnung / das Grundstück zu erwirken, wenn die Gefährdung des Tierwohls hinreichend glaubhaft gemacht wird.

Hat all das keinen Erfolg gebracht, kann ein Tierhaltungsverbot erlassen werden und die Tiere können beschlagnahmt werden. Hierfür ist aber oftmals die Mitwirkung des Ordnungsamtes, der Polizei und von Tierheimen unerläßlich. Sowohl der personelle, wie auch der finanzielle Aufwand sind hier jedoch so groß, daß die Behörden nicht selten diesen Schritt scheuen.

Woran erkennt man einen Fall von Animal Hoarding?

Der Deutsche Tierschutzbund hat in Zusammenarbeit mit Psychologen und Amtstierärzten eine Checkliste erarbeitet, die wir nachstehend sinngemäß wiedergeben möchten:

1) Kriterien einer beginnenden Tiersammelsucht

  • Der Betroffene hält mehr Tiere, als gewöhnlich üblich ist.
  • Für den vorhandenen Platz in der Wohnung / im Haus / auf dem Grundstück gibt es offensichtlich zu viele Tiere.
  • Hierauf angesprochen, zeigen die Betroffenen keine Einsicht, daß es zu viele Tiere sind.

2) Kriterien einer fortgeschrittenen Tiersammelsuch zusätzlich zu 1)

  • Der Ort, wo die Tiere leben ist in einem bedenklichem hygienischen Zustand (Kot, Urin auf dem Boden, verschmutze Katzentoiletten, verschmutzte Käfige und Zwinger usw.)
  • Die Tiere sind schlecht oder unterernährt (schlechtes Fell, Fehlstellungen der Gliedmaßen, kein oder verschmutztes Trinkwasser und / oder Futter usw.)
  • Die Tiere werden im Krankheitsfall nicht oder nicht ausreichend tierärztlich versorgt, Nachsorge wird unterlassen, auch wenn die Erkrankung offensichtlich ist.
  • Die Tiere machen einen ungepflegten Eindruck (verfilztes und / oder verkotetes Fell, leicht erkennbare Ohrenentzündungen, Zahnstein, Ungezieferbefall, vernachlässigte Huf- und Klauenpflege usw.)
  • Unkastrierte Tiere werden nicht geschlechtsgetrennt gehalten und vermehren sich somit unkontrolliert.
  • Die Tierhalter verheimlichen die Anzahl ihrer Tiere oder machen ganz bewußt falsche und unglaubwürdige Angaben über die Anzahl. Besucher werden davon abgehalten, die Tiere zu sehen oder es werden nur einzelne Tiere vorgestellt, die sich in einem zeigenswerten Zustand befinden.
  • Die Tierhalter zeigen mangelnde Einsicht über das Vorliegen der vorstehenden Umstände.
  • Die Tierhalter weigern sich, Tiere abzugeben oder weiter zu vermitteln.

Die Konsequenz aus all dem Vorstehenden ist, daß es dringend notwendig ist, Personen, die von einer Tiersammelsucht betroffen sind, psychologische Hilfe zuteilwerden zu lassen. Dazu müßte aber das Animal Hoarding als Krankheit offiziell anerkannt werden und es müßten mehr Anlaufstellen zur Betreuung der Betroffenen geschaffen werden.

S.P.

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