Eine Hand voll Hoffnung

Veröffentlicht am : 02. April 2020
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Der Stierkampf in Spanien aber auch in anderen Ländern stößt langsam, aber zunehmend auf Wiederstände aus der Bevölkerung. In Spanien selbst sollen es bereits über 50 % der Bürger sein (die Zahlen schwanken ein wenig), die sich vehement gegen den Stierkampf wenden.

Das katalonische Parlament hat bereits im Jahre 2011 ein Gesetz verabschiedet, welches den Stierkampf zumindest in der autonomen Gemeinschaft untersagen sollte. 2012 in Kraft getreten, wurde es bereits im Oktober 2016 auf Betreiben der spanischen Stierkampflobby vom Verfassungsgericht in Madrid als unzulässig aufgehoben, weil es die Belange spanischer Tradition und Kultur nicht berücksichtige.

Auch auf den Balearen gab es eine ernsthafte Gesetzesinitiative gegen den Stierkampf in seiner blutigen Form. Am 3. August 2017 hat das Regionalparlament der Balearen ein Gesetz zur Regelung des Stierkampfes auf den Inseln erlassen, das ein Töten der Kampfstiere verbot und auch ansonsten den Stierkampf weniger qualvoll für die Tiere machen sollte. Aber auch dieses Gesetz hatte in einer Reihe von Regelungen keinen Bestand vor dem spanischen Verfassungsgericht. Dennoch konnten einige wenige Regelungen erhalten bleiben, die es nunmehr den Antistierkampfaktivisten ermöglichen, genauer hinzuschauen und für ein zaghaftes behördliches Eingreifen zu sorgen. Nach 2 Jahren stierkampffreier Zeit fanden auf den Balearen im August in Palme und im Oktober in Inca jeweils wieder ein Stierkampffestival statt.

Während die Veranstaltung in Palma nur von Protesten außerhalb der Arena begleitet wurde, führte die Veranstaltung in Inca neben den Protesten der Stierkampfgegner auch zum Tätigwerden des Rathauses von Inca. Die Stadtverwaltung verhängte Anfang März 2020 gegen Organisatoren der Veranstaltung ein Bußgeld in Höhe von 7000 €, weil die gesetzlich vorgeschriebene Dopinkontrolle der Stierkämpfer und der Stiere nicht erfolgt war. Die Bescheide sind noch nicht rechtskräftig, weil die Betroffenen Widerspruch eingelegt haben. Das Rathaus prüft weitere Möglichkeiten der Verhängung von Bußgeldern, weil sich unter den Zuschauern auch Minderjährige befunden haben, was nach den vom Verfassungsgericht nicht aufgehobenen Teils des Antistierkampfgesetze unzulässig war. Diese Verfahren sind einer Gruppe aktiver Stierkampfgegner auf Mallorca zu verdanken, die der Stadtverwaltung hierfür die nötigen Informationen und Beweise lieferten.

Es gibt aber auch weitere Initiativen auf den Inseln, die sich aktiv gegen den Stierkampf einsetzen. Hierzu zählt besonders der Tierschutzverein ABADA, eine gemeinnützige Vereinigung balearischer Rechtsanwälte, die sich für die Rechte der Tiere einsetzen. Deren Präsidentin, Frau Rechtsanwältin Helena Cabanero, hat uns freundlicherweise die deutsche Übersetzung eines Artikels in der Onlineausgabe des „MallorcaDiario“ vom 9. Dezember 2017 zur Verfügung gestellt, die wir nachstehend unserer Leserschaft gern zur Verfügung stellen möchten.

„Diese Woche wurde es bekannt: Das Verfassungsgericht hat das vom balearischen Parlament verabschiedete Gesetz, das die Tötung von Stieren im Stierkampf verbietet, ausgesetzt. Nun wird eine maximale Frist von fünf Monaten eröffnet, in der der Hohe Gerichtshof zu entscheiden hat, ob die Norm definitiv stirbt und damit die Hoffnung der Tierfreunde der Inseln, die nach der Verabschiedung im Parlament den offenen Himmel sahen. Allerdings waren nicht alle so euphorisch. Einige Stimmen warnten davor, dass das Gesetz Rückschritte bedeuten könnte, wie z.B. bei der Correbou. Der Rechtsanwalt Manuel Molina, Koordinator des Kommission für die Verteidigung der Tierrechte der Anwaltskammer der Balearen und Sprecher der Balearischen Vereinigung der Rechtsanwälte für Tierrechte (ABADA), war einer von ihnen. Nun setzt er sich mit mallorcadiario.com zusammen, um die Position beider Entitäten vor dem Gesetz über den Stierkampf auf den Balearen und den mehr als wahrscheinlichen Schlag, den ihm das Verfassungsgesetz versetzt hat, zu erklären.

Wie bewerten Sie diese vorsorgliche Aussetzung?

 Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um eine vorübergehende Aussetzung. Es ist ein Vorrecht des Verfassungsgerichts, während es die Begründetheit der Berufung auf Verfassungswidrigkeit bewertet, die zu den Artikeln erhoben wird, die die Feier von Stierkämpfen regeln. Aus der Sicht des Tierschutzes ist es aber natürlich keine gute Nachricht, denn es wird die Feier von Stierkämpfen mit all den Misshandlungen und schrecklichen Leiden, die diese in ihrer traditionellen Form mit sich bringen, gesetzlich erlauben.

 

Warum sind wir bis zu diesem Punkt gekommen?

 

Nachdem die Teilreform des Tierschutzgesetzes der Balearen 1/92 im Juli letzten Jahres verabschiedet wurde und da mehrere Artikel die Art und Weise, wie Stierkämpfe gefeiert werden, beeinflusst haben, legte die Zentralregierung beim Verfassungsgericht Berufung ein, weil sie der Meinung ist, dass die Autonomen Parlamente in dieser Angelegenheit keine Gesetze erlassen können. Es handelt sich also um eine Diskussion über die Gesetzgebungskompetenzen: Die Regierung der Nation interpretiert die Zuständigkeit als gesamtstaatlich, und die derzeitige Regierung der Balearen versteht, dass sie autonom ist.

 

Ist es ein schlecht gemachtes Gesetz?

 

Es sind mehrere Fragen zu unterscheiden: Wenn das Gesetz teilweise verfassungswidrig ist oder nicht, ist es Sache des Verfassungsgerichts, dies zu sagen; hoffen wir, dass die balearischen Institutionen, die die Rechtsreform vorangetrieben haben, und ihre Rechtsberater wissen, wie sie ihre Position vor dem Verfassungsgericht verteidigen können, damit die Berufung zurückgewiesen und die betreffenden Artikel nicht aufgehoben werden.

 

Denn das Thema ist umstritten, denn während ein mögliches "Verbot" von Stierkämpfen als staatlich erklärt wurde (und aus diesem Grund vor etwas mehr als einem Jahr das Gesetz des katalanischen Parlaments, das sie sechs Jahre zuvor verboten hatte, aufgehoben wurde), ist die Frage der "Regelung der Art und Weise, wie sie stattfinden sollten" nicht klar. Und deshalb sind wir uns einig, dass man versuchen sollte, dies auf der Ebene der autonomen Gemeinsachft zu tun. In einer Weise, dass, wenn es nicht verboten werden kann, zumindest der Missbrauch und das Leid, die sie mit sich bringen, beendet werden.

 

Zählte die Regionalregierung bei der Ausarbeitung des Gesetzes auf Sie, auf die Kommission der Rechtsanwälte für die Verteidigung der Tierrechte?

 

Nein, aber der Hintergrund ist interessant.

 

Vor zwei Jahren kontaktierten uns Mitglieder des Balearischen Parlaments (die einer politischen Partei angehören, die die gegenwärtige Regierung unterstützt), um unsere Meinung über die Notwendigkeit einer Reform des Tierschutzgesetzes der Balearen, Gesetz 1/92, zu erfahren. Da unsere Vereinigung ABADA völlig unpolitisch ist (und wir daher bereit waren und sind, mit jeder Partei, Gruppe, Institution, autonomen Verwaltung oder Stadtverwaltung zusammenzuarbeiten, solange ihre Vorschläge oder Initiativen darauf abzielen, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern und gegen ihre Misshandlung zu kämpfen), haben wir vereinbart, uns mit diesen Abgeordneten im Parlament zu treffen. Bei diesem Treffen erklärten wir ihnen, dass das geltende Gesetz von 1992 (das übrigens von den damaligen Regierenden auf den Balearen gefördert und gebilligt wurde) zwar zu seiner Zeit ein Pionietatr des Tierschutzes im Verwaltungsbereich war, dass dieses Gesetz aber fast fünfundzwanzig Jahre später etwas veraltet war...

 

...Ein Gesetz, das nicht nur Stiere, sondern auch den Tierschutz im Allgemeinen betrifft...

 

Das ist richtig. Und in diesem Sinne haben wir diesen regionalen Abgeordneten vorgeschlagen, eine Reform durchzuführen, die unter anderem eine Verschärfung der Sanktionen für die Misshandlung und das Aussetzen von Tieren, eine Verbesserung der Inspektionsdienste der (privaten und öffentlichen) Zwinger, die Förderung der Umwandlung der derzeitigen Zoos und Delphinarien in echte Tiererholungszentren (wobei die Existenz dieser Zentren als bloße Orte für die "Ausstellung" von Tieren eingeschränkt werden sollte) in Betracht ziehen würde; Beseitigung der Misshandlungen bei allen Volksfesten, ob öffentlich oder privat, traditionell oder nicht (nicht nur der "Stierkämpfe", sondern auch der "Korrebus", da wir glauben, dass im Kampf für den Tierschutz jede politische oder nationalistische Frage des einen oder anderen Zeichens ausgelassen werden muss); usw. Die Reaktion der Parlamentarier, die uns zu dem Treffen eingeladen hatten, war im Prinzip positiv und aufnahmefähig für unsere Vorschläge und bat um unsere Mitarbeit. Ende 2015 begannen wir mit der Zusammenarbeit mit dem Entwurf konkreter Vorschläge.

 

Haben sie auf Sie gehört?

 

Nein. Nach einigen Monaten teilte uns einer derselben Parlamentarier, die uns um Zusammenarbeit gebeten hatten, mit, dass sie unsere Zusammenarbeit und unseren Rat nicht benötigten, da sie offenbar nach anderen Beratern von außerhalb Mallorcas gesucht hatten. Seitdem haben wir uns nicht mehr in das Thema eingemischt, so dass wir nichts mit der Ausarbeitung der Rechtsreform vom vergangenen Juli zu tun hatten, die sich, wie man sieht, (nicht nur, aber grundsätzlich) auf die Regulierung des Stierkampfes beschränkt.

 

Hat dieses Gesetz angesichts dessen, was wir gesehen haben, Rückschritte im Tierschutz bedeutet? Hat es dem Correbou Flügel verliehen, die er vorher nicht hatte?

 

Der neue Gesetzestext hat ihnen völlig entsprochen, weil das Tierschutzgesetz der Balearen 1/92 eine Bedingung für die Feier von Festen festlegte, bei denen lebende Tiere verwendet wurden (z.B. der "Correbou de Fornalutx"): Diese Bedingung war, dass solche Feste seit mindestens hundert Jahren ohne Unterbrechung abgehalten wurden. Es scheint, dass u.a. das Festival "Correbou de Fornalutx" dieser Anforderung nicht gerecht wurde, so dass mehrere Tierschutzverbände und -einrichtungen, nicht nur auf Mallorca, sondern auch außerhalb Mallorcas, damit begonnen hatten, die Möglichkeit zu prüfen, einen streitigen Verwaltungsbeschluss einzureichen, um ihn gerichtlich zu unterbinden.

 

Im Rahmen der jüngsten Gesetzesreform wurde diese Anforderung jedoch gestrichen, so dass sowohl das "Corebou" als auch andere ähnliche Festivals, bei denen Tiere verwendet werden, nun weiterhin ohne jegliche rechtliche Hindernisse stattfinden können.

 

Wie wir immer gesagt haben, scheint uns der Versuch, den unblutigen Stierkampf zu regulieren, eine gute Sache zu sein, denn dadurch würde zweifellos eine Verringerung der Misshandlung der Tiere, die an diesen Feierlichkeiten teilnehmen, erreicht werden. Andererseits hätte man aber eines von zwei Dingen tun sollen: auch den "Correbou" verbieten oder zumindest die im Gesetz vorgesehenen Anforderungen an seine Feier in Kraft gelassen haben. All dies war vollkommen kompatibel.

 

Das Schlimmste von allem ist, dass das Verfassungsgericht, wenn es schließlich die Artikel, die den Stierkampf betreffen, aufhebt, weil es sie für verfassungswidrig hält, die anderen dennoch in Kraft lassen wird, einschließlich der Bestimmung, die die Forderung nach hundert Jahren aufhebt, So wird die jüngste Gesetzesreform der balearischen Regierung die Konsolidierung von Festen wie dem "Correbou de Fornalutx" ermöglicht haben, bei dem (obwohl es im neuen Gesetzestext einen Versuch gegeben hat, den Stier zu "versöhnen") der Stier weiterhin misshandelt wird (wie man an den Bildern der diesjährigen Feierlichkeiten nach der Verabschiedung dieses Gesetzes sehen kann). Mit anderen Worten: In diesem Fall werden wir Stierkämpfe "mit Blut" haben, und darüber hinaus einen "Correbou", der juristisch unantastbar ist.“

Wie wir mittlerweile wissen, hat das Verfassungsgericht nur insoweit Neuregelungen bestehen gelassen, als die Stierkämpfe auch weiterhin in nahezu unveränderter Form als spanische Tradition und Kulturgut auch auf den Balearen durchgeführt werden können. Dennoch bestehen nunmehr Möglichkeiten, den Organisatoren das Leben ein wenig schwer zu machen und ihnen mehr Sorgfalt und weitere Pflichten aufzuerlegen, als dies vor 2017 möglich war. Das beste Beispiel ist das bereits oben erwähnte Bußgeldverfahren des Rathauses von Palma. Das ist der Ansatzpunkt für die Hand voll Hoffnung – Hoffnung darauf, daß einerseits noch mehr Menschen sich gegen den Stierkampf aussprechen und einsetzen und daß auch die Verwaltung sensibler auf das Thema reagiert. Ein neues Gesetz, daß den Stierkampf unmöglich macht oder zumindest erheblich erschwert, wird es so schnell nicht geben. Nutzern wir also das, was da ist und machen wir es den Organisatoren möglichst schwer, ihre „qualvolle Kultur“ auszuleben.

Das gegenwärtig auch in Spanien wütende Corona-Virus hat bei aller Gefährlichkeit auch eine positive Seite. Zur Vermeidung von Ansteckungen zwischen Menschen müssen nunmehr zahlreiche Stierkämpfe ausfallen. Soweit uns bekannt ist, sind es derzeit 22 Kämpfe, aber es können auch mehr werden. Vielleicht bringt diese Pause den einen oder anderen Zuschauer zum Nachdenken darüber, daß er eigentlich einer Tierquälerei und nicht einer Kultur zujubelt, wenn er im Rund der Arena sitzt.

F.S.

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