Stellt die Reform des spanischen Strafrechts einen Rückschritt im Kampf gegen Tierquälerei dar?

Veröffentlicht am : 17. April 2021
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Diese Frage beantwortete Rechtsanwalt Manuel Molina, der Vorsitzende der balearischen Tierschutzanwälte vor ca. 4 Wochen in einem Interview mit dem Web-Portal „Animaladas.com“. Wir möchten nachstehende gern einige Erklärungen von Herrn Molina wiedergeben.

Die Reform des LeyCrim, der Strafprozessordnung, erzeugt eine gewisse soziale Unruhe, weil sie die Möglichkeit der Volksanklage durch Tierschutzorganisationen beseitigt und dies dazu führen kann, dass die Verurteilungen von Tierquälern noch seltener und u.U. noch milder erfolgen könnte.

Über eines der bisher wichtigsten Strafverfahren gegen einen Tierquäler, der auf Mallorca seine Stute „Sorky“ zu Tode quälte, berichtet Molina: „Ich fungierte als Mitglied von ABADA und ich muss sagen, dass es ein langer Prozess von fast drei Jahren war, während dem wir uns sehr einsam fühlten. Keine der an dem Fall beteiligten Parteien hat eine Gefängnisstrafe gefordert, außer uns. Tatsächlich hat der Staatsanwalt am Ende des Prozesses sogar schriftlich erklärt, dass er dem Antrag der Verteidigung auf Aussetzung oder Ersetzung der Strafe zustimmt, das heißt, dass der Verurteilte nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden soll.

Auch während der Ermittlungsphase stießen wir auf viele Hindernisse, es war das einzige Mal in meiner dreißigjährigen Berufspraxis als Anwalt, dass ich gezwungen war, vor dem Obersten Gerichtshof eine Beschwerde gegen einen Richter einzureichen, und zwar gegen den damaligen Leiter des Ermittlungsgerichts des Falles. Aber die wichtigste Schlussfolgerung war, dass trotz der Schwierigkeiten das Beharren auf dem, woran man glaubt, am Ende Ergebnisse bringen kann.

Andererseits trug die Medienberichterstattung über den Fall zu dem Zeitpunkt, als -Ende 2015- der Verurteilte ins Gefängnis kam, zur Sichtbarkeit schwerer Missbrauchsfälle bei und auch zur Gründung neuer Anwaltsvereinigungen für die Verfolgung von Tierrechten auch in anderen Teilen Spaniens in den folgenden Jahren.“

Auf die Frage, ob mit Gefängnisstrafe zu rechnen sei, wenn es die Privatanklage durch Tierschutzorganisationen im Strafrecht nicht mehr gebe, sagte Molina, daß die ohnehin schon seltenen Verurteilungen dann noch weiter zurück gehen würden, weil es zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung zu noch mehr Deals über eine Einstellung oder allenfalls eine Bewährungsstrafe kommen würde.

Darüber hinaus sei zu erwarten, daß ein Anspruch der Tierschutzorganisationen auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die Pflege und Betreuung mißhandelter Tiere künftig nicht mehr durchsetzbar sei. D.h. die Organisationen würden selbst auf den Kosten sitzenbleiben und der Täter wäre nicht mehr ersatzpflichtig.

„Wenn er (der Gesetzesentwurf – d.Red.) also so angenommen wird, wie er geschrieben ist, wird die Auswirkung verheerend sein und ein klarer Rückschlag für all die Fortschritte, die wir gemacht haben, seit die Verbände als Staatsanwälte in Strafverfahren wegen des Verbrechens der Misshandlung von Tieren auftreten, verhältnismäßig hohe Haftstrafen (innerhalb der Grenzen des Strafgesetzbuches) fordern und in den schwersten Fällen deren effektive Erfüllung verlangen.“ so Molina weiter im Interview.

Auf die Frage, wer von den Neuregelungen profitieren wird, erklärt Molina: „Wenn es genehmigt wird, wird es Tierquälern zugutekommen, insbesondere den Tätern der schwersten Fälle. Und besonders jene Bereiche, in denen Tiere als einfache Objekte oder "Werkzeuge" verwendet werden und in denen es üblich ist, sie zu misshandeln, auszusetzen und/oder ihr Leben auf grausame Weise zu beenden, sobald sie maximal ausgebeutet worden sind.“

Weiter ist festzustellen, daß nur Verbrechen gegen Tiere nicht aber Verbrechen gegen die Pflanzenwelt von den neuen gesetzlichen Einschränkungen erfaßt werden sollen. Zu vermuten ist, daß hinter dem die mächtige Lobby der Jäger und die immer noch sehr präsente Stierkampflobby stehen könnten. Zu dieser Vermutung der Redaktion sagt Molina: „Es scheint uns klar zu sein, dass während des vorherigen Entwurfsprozesses irgendein Sektor oder eine Interessengruppe (die eindeutig nicht an einer effektiven und energischen Verfolgung von Verbrechen gegen Tiere interessiert ist) in diesem Sinne Einfluss genommen haben könnte.“

Bleibt nunmehr abzuwarten, ob der Gesetzgeber sich von den Lobbyisten beeinflussen läßt und das Gesetz mit den hinderlichen Regelungen in Kraft setzen wird oder ob er die Warnungen der Tierschutzorganisationen und Tieranwälte aufnimmt und eine Neufassung in Gesetz aufnehmen wird, die die Belange des Tierschutzes umfänglich berücksichtigt. Hinweise und Einwände hierzu sind dem Gesetzgeber im Verfahren der öffentlichen Anhörung hinreichend viele mit guten Begründungen übermittelt worden. Eine öffentliche Anhörung zu einem Gesetzesvorhaben sollte nicht nur eine Formalie sein, sondern Anlaß für eine gesellschaftsgerechte Überarbeitung eines Gesetzesvorhabens.

Wer als Fachanwalt für Tierrecht tätig ist, macht dies aus einer Überzeugung, zum Wohle der Tiere handeln zu müssen. Das hat oftmals zur Folge, daß man damit nicht ansatzweise den Verdienst erzielen kann, den z.B. ein Immobilienanwalt erzielen wird. Dennoch sind diese Anwälte sehr wichtige Mitglieder unserer Gesellschaft und sollten hierfür den nötigen Respekt erlangen. Auf die Frage, ob die Neuregelungen im Strafprozeßrecht die Tätigkeit der Fachanwälte für Tierrecht einschränken wird, erkläret Molina: „Es wird sie einschränken. Aber es ist nicht etwas, das uns aus materiellen oder finanziellen Gründen betrifft. In meinem Fall und dem der Kollegen von ABADA (und vielen anderen) machen wir diese Arbeit, indem wir viele Stunden unserer Zeit opfern, ohne finanzielle Entschädigung und sogar mit Geld aus unserer eigenen Tasche. Unsere Sorge ist, dass wir, nachdem wir in den letzten Jahren gerade dank der Arbeit der Volksanwaltschaft wichtige Fortschritte im Tierschutz erzielt haben, daran gehindert werden, weiterhin in diesem Sinne mitzuarbeiten.“

Auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, daß der spanische Gesetzgeber diesen Artikel lesen wird, bleibt uns nur, diesen daran zu appellieren, daß Tiere fühlende Mitgeschöpfe auf dieser einzigartigen Welt sind und den nötigen Schutz bedürfen. Tierschutzorganisationen sind keine Vereinigungen zum Selbstzweck. Sie sind dafür da, um fachgerecht den Tierschutz voran zu bringen. Wir haben nur diese eine Welt und es kann nicht sein, daß wir Menschen mit Tieren verfahren können, wie wir es wollen ohne Rücksicht auf Verluste und die allmähliche Zerstörung unsere Planeten. Daher nochmals nach Madrid: Lassen sie es nicht zu, daß Tiermißhandlungen und –mißbrauch in Zukunft wieder leichter ungestraft möglich ist.

F.S.

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